Wir fahren nach Bautzen

In Bautzen marschierten im letzen Jahr etwa 700 Neonazis gegen den örtlichen CSD auf. Das war das der vorläufige Kulminationspunkt eines seit Jahren ausgetragenen queerfeindlichen und antifeministischen Kulturkampfes, der alles zur Zielscheibe machte, was auch nur in Ansätzen als queer oder woke markiert wurde. Gleichzeitig war die Bautzener Nazidemo nur der Anfang: Seither gibt es quer durch die Republik eine Reihe extrem rechter Mobilisierungen gegen CSDs, Pride-Veranstaltungen und andere queere Events.

Diese Entwicklung ist alles andere als ein Zufall: Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gehören seit jeher zu den zentralen ideologischen Säulen eines extrem rechten Weltbildes. Eine wahlweise biologistisch hergeleitete oder gottgewollte Zweigeschlechtlichkeit in Verbindung mit dem Bild einer natürlichen männlichen Überlegenheit dienen als Kitt zwischen unverhohlen faschistischen und konservativen, christlich-fundamentalistischen und verschwörungsideologischen Milieus.

Dabei ist die Rechte getrieben von der Verschwörungserzählung einer imaginierten woken Hegemonie, vom Phantasma eines machtvollen und niederträchtigen Establishments, das sich in „kulturmarxistischer“ Manier des Feminismus bediene, um die ursprüngliche und natürliche Gesellschaftsordnung zu schwächen und zu zersetzen.

Dabei ist die Rechte getrieben von der Verschwörungserzählung einer woken Hegemonie, vom Phantasma eines machtvollen und niederträchtigen Establishments, das sich in „kulturmarxistischer“ Manier des Feminismus bediene, um die ursprüngliche und natürliche Gesellschaftsordnung zu schwächen und zu zersetzen. Bei aller ideologischen Differenz herrscht im rechten Lager mehr oder minder Einigkeit darüber, dass feministische Kämpfe die Gesellschaft in einen Zustand des Niedergangs und Zerfalls gebracht hätten.

Spätestens hier zeigt sich, dass es sich beim rechten Antifeminismus nicht um Kritik an einzelnen Aspekten, sondern um ein projektives Gebilde handelt. Diese Auffassung kann sich sexuelle und geschlechtliche Emanzipation nicht anders erklären, als dass dahinter eine Verschwörung elitärer Mächte stecken müsse.
Stattdessen sollen Menschen klar und eindeutig in der zweigeschlechtlichen Ordnung aufgehen und patriarchale Gefüge unangetastet bleiben.

Die Sehnsucht nach einer geschlechterpolitisch heilen Welt und das Beklagen des durch die Emanzipationsbewegungen ausgelösten Verlusts derselben ist so dystopisch wie sie gleichzeitig auch vergebens ist. Sie versuchen damit eine Gesellschaft herzustellen, die es so in der Form nie gab und niemals geben wird: eine Welt, in der Geschlecht klar geordnet, eindeutig und widerspruchsfrei ist. In der die heteronormative Kleinfamilie eine zentrale Funktion für den „Volkskörper“ einnimmt.

In der sich mithin das gesamte Schicksal von Volk und Nation daran entscheidet, ob diese als gebrochen wahrgenommene Ordnung, von Wokeness und Gendergaga zersetzt, mit aller Gewalt wiederhergestellt werden kann. Queeres Leben und seine Sichtbarkeit, alternative Lebens- und Liebesentwürfe sowie geschlechtliche Selbstbestimmung haben hier keinen Platz.

Auch dieses Jahr sind CSDs der Schauplatz kulturkämpferischer Inszenierungen, während sie abstrakten wie konkreten Bedrohungen ausgesetzt sind. Während gewisse Würdenträger*innen im Bundestag eine absurde Debatte über Zirkuszelte und Fahnen führen, marschieren Neonazis vor Prideveranstaltungen im ganzen Land auf – oder nehmen gleich die Waffe in die Hand, um Tatsachen zu schaffen.

Hierbei sind konkrete Faschomobilisierungen das eine. Gleichzeitig können wir sehen, wie auch CSDs, die von organisierten Mobilisierungen verschont geblieben sind, zum Schauplatz von queerfeindlichen Angriffen und Diffamierungen werden. Es sind die „Zufallsbegegnungen“ am Rande, die mindestens genauso gefährlich werden können wie organisierte Aufmärsche: Für Menschen, die anno 2025 in Deutschland einen CSD oder eine Pride Parade besuchen wollen, gehört die Sicherheitsfrage inzwischen tragischerweise zur normalen Tagesplanung dazu.

Dieses Jahr wollen Faschos wieder in Bautzen und anderswo gegen CSDs aufmarschieren. Dies werden wir nicht hinnehmen. Bautzen steht für eine Zäsur, für eine spürbar neue Qualität queerfeindlicher Hetze und Gewalt. Wenn Faschos gegen einen CSD aufmarschieren, ist das ein Angriff auf uns Alle. Dass wir als Feminist*innen und Antifaschist*innen dagegen stehen müssen, liegt auf der Hand. Lasst uns gemeinsam nach Bautzen fahren, CSDs supporten und den Faschos die Straße nehmen.

Die antifeministische, trans- und queerfeindliche Raserei der Rechten ist kein Nebenschauplatz. Wenn die Rechten den Feminismus als Bedrohung für ihre Ziele sehen, dann tun sie das zurecht. Mit einer Sache liegen sie nämlich ganz richtig: feministische und queere Bewegungen sind eine Kampfansage gegen die Ordnung, die ihnen vorschwebt, sie sind eine Kampfansage an ihre eigene Vorherrschaft, sie sind eine Kampfansage gegen eine hierarchisch organisierte Gesellschaft. Der Feminismus untergräbt das Fundament ihrer Ordnung – er ist dazu geeignet sie zum Einsturz zu bringen.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass von der queeren Community multiple Widerstände gegen Rechtsruck und den Status Quo ausgehen. Sei es in den USA gegen Trump und seine regressive Gesellschaftstransformation oder die Pride in Budapest als Fanal gegen das Regime Orban: Make feminism a threat!

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